LeseprobenOma aus dem Kirschenbaum

„Ich kann das schon allein!“, ruft Resi und stampft mit einem ihrer vier Beinchen auf. Mit dem rechten vorderen Bein genau gesagt. „Ich bin schon groß.“ Doch Mama schüttelt heftig den Kopf. „Nein, tut mir leid, Resi, das kannst du noch nicht allein. Du bist 4.“ „Doch, doch, doch“ quietscht Resi, wirft sich auf den Boden, wälzt sich zornig und streckt ihre 4 kurzen Beine in die Höhe.

 

Resi ist beinahe ein ganz gewöhnliches Schweinekind. Aber nur beinahe. Das liegt an ihren Eltern. Resis Papa ist ein großes, schönes, rosafarbenes Hausschwein. Ihre Mama kommt aus der Familie der scheuen und stolzen Wildschweine. Und was kam dabei raus? Ein süßes, kleines, rosa Schwein mit braunen Frischlingsstreifen! Ganz abgesehen davon ist Resi wie die meisten Kinder mit 4. NEIN ist eines ihrer Lieblingswörter und wenn ihr was nicht passt, dann wird sie richtig wütend.

 

„Resilein“, versucht es Mama jetzt mit sanfter Stimme, „bitte, der Papa hilft dir beim Kofferpacken. Sonst werden wir nie fertig und wir wollen doch bald los.“ „Nein“, sagt Resi und schüttelt den Kopf. „Allein, ich kann das allein.“ „Ok“ seufzt Mama genervt. Vor Reisen ist sie immer ein bisschen aufgeregt. Heute hat sie deshalb keine Kraft mehr für Resis Wutausbruch. „OK, leg mal alles, was du mitnehmen möchtest, auf einen Haufen. Papa schaut dann noch mal drüber.“  Da rollt sich Resi wieder auf den Bauch, springt auf ihre Hufe und rennt los.

Nach einer Viertelstunde hat das Schweinekind alles beisammen, was es für den Urlaub an den Weissensee mitnehmen will:

  •  ein Schmetterlingsnetz
  •  einen ganzen Stapel Bücher
  •  ihre Nachttischlampe
  •  ihr Laufrad
  •  den Fahrradhelm
  •  Seifenblasen
  •  ihre Kinder-Trommel
  •  und Pauli den Eisbären, ihr allergrößtes, allerliebstes Kuscheltier, beinahe so groß wie sie selbst

 

„Ui, das ist ein großer Haufen“, grunzt Papa, als Resi „Fertig!“ ruft und er mit Resis Reisetrolley ins Kinderzimmer kommt. Resi lächelt stolz. „Resilein, du hast dir sehr schöne Sachen ausgesucht, nur passen sie leider nie und nimmer alle  in den Koffer!“ stöhnt Papa. „Aber ich brauche die alle“, antwortet Resi und verzieht ihre Schnauze schon wieder schmollend. Das ist ein Alarmzeichen, das weiß Papa schon. „Komm her, liebes Streifenkind“, sagt er, macht es sich auf dem Boden gemütlich und klopft auf den Platz neben sich. „Setzt dich zu mir, Resi, und lass uns einmal gemeinsam überlegen:

Das Schmetterlingsnetz – ok, so lange du damit keine Schmetterlinge fängst. Die könnten sich da nämlich verletzten. Aber zum Fliegen fangen wäre es sehr praktisch. Bücher, das ist auch eine gute Idee. Aber so viele passen nicht in den kleinen Koffer.“ Papa sieht, dass Resi schon wieder rot anläuft. „Vorschlag, Vorschlag“, trällert er da und Resi sieht ihn verdutzt an. „Wir nehmen nur die Hälfte der Bücher mit. Zum Ausgleich erfinden Mama und ich jeden zweiten Tag eine eigene Geschichte für dich.“ „Echt?“ Resi strahlt. Selbst erfundene Geschichten mag sie sowieso am allerliebsten. „Ist gut“, nickt sie und trägt den halben Bücherstapel zurück zum Regal. Papa schaut sich indessen Stirn runzelnd um. „Hm, also die Nachttischlampe ist wirklich groß und schwer, Kind, die muss leider daheim bleiben.“ „Und wie sollen wir dann die Guten- Nacht- Bücher lesen, wenn ich schon im Bett liege?“, fragt das Schweinemädchen und guckt Papa mit ihren klugen Äuglein an. „Mit, mit, äh…“ stammelt Papa, „mit einer kleinen Taschenlampe, das ist sehr aufregend!“, platzt es dann aus ihm heraus. Resi ist sofort begeistert. „Hurra, damit kann ich dann in der Nacht auch herumgeistern, oder heimlich Tiere am See beobachten.“ Papa schluckt. Da stehen ihm ja aufregende Nächte bevor. Gleichzeitig spürt er aber auch, wie stolz er auf seine kleine Resi ist. Das Kind hat so viele gute Ideen im Kopf!

Obwohl Resi dagegen ist, muss das Laufrad zu Hause bleiben. „Wenn du magst, leihen wir uns am See ein Fahrrad aus und üben damit. Ich glaube, es gibt bei unserem Quartier sogar ein Kind in deinem Alter.“ „Gute Idee, aber ich will es nur ohne Stützräder lernen“, verlangt Resi und Papa nickt. Der Fahrradhelm kommt also auf jeden Fall mit.

Über kurz oder lang hat der Haufen auf dem Kinderzimmerboden eine Größe erreicht, die in den Koffer passen könnte. Gemeinsam schlichten Papa und Resi alles so Platz sparend wie möglich hinein. Bis auf den Kuscheleisbären, der ist einfach zu groß. „Pauli darf während der Autofahrt auf deinem Schoß sitzen“, ist Papas Vorschlag und Resi ist damit einverstanden. Aber sonst haben sie das meiste untergebracht. Leider geht der Koffer jetzt nicht mehr zu. „Mama, Mama‘ “, ruft Resi, „du musst dich auf den Trolley setzen.“ Das hat im letzten Urlaub mit Papas Koffer auch prima geklappt.  Mama kommt ins Kinderzimmer und legt sich auf den kleinen grünen Trolley. Resi drückt zusätzlich noch auf die eine Ecke. „Klack“, macht das rechte Schnapperl und „Klack“ gleich darauf das Linke. „Bravo!“, klatscht Resi mit ihren Vorderhufen. Dann rennt sie wie ein Wirbelwind im Kreis um ihre Eltern und den Koffer. „So, jetzt binden wir noch einen langen Gürtel herum, dann kann nichts mehr schief gehen“ verkündet Papa erleichtert. Als sich Mama ächzend wieder vom Koffer hoch rappelt, sieht sie auf Resis Bett einen Stapel mit Handtüchern, Badesachen und Kleidungsstücken. „Edgar“, schnappt Mama nach Luft – Edgar ist Resis Papa – „ihr habt ja auf alles vergessen, was ich für Resi vorbereitet habe! Wie soll das da jetzt noch rein?“

Papa läuft dunkelrosa an. „Lenchen“, stöhnt er leise und erschöpft, – Lenchen, so heißt Resis Mama –  „ich flehe dich an, steck bitte die paar Sachen in unseren Koffer. Mir fällt sonst wirklich nichts mehr ein.“

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