Wenn ich aus meinem Fenster schauen will, müssen meine Augen zuerst eine Hürde passieren: das Fensterbrett! In meinem Fall ein ziemlich Breites auf dem etliche Dinge Platz finden. Ich kann mich natürlich entscheiden, das Fensterbrett zu vernachlässigen und gleich auf die dahinterliegende Aussicht eingehen. Das finde ich aber nicht fair, denn diese Dinge, die da schon seit Jahr und Tag herumstehen, haben es verdient, auch einmal erwähnt zu werden.
Von mir aus links steht da eine blaue Emailkanne, in der sich oft ein paar Geldscheine befinden – heute nicht. Dahinter eine uralte Petroleumlampe mit Glaszylinder, gefüllt mit Lampenöl und darin einem veritablen Docht. Habe ich die schon einmal angezündet? Ich glaub nicht. Zwei Plastikpinguine (rot und gelb) stehen daneben und schauen aus dem Fenster. Sie schweigen, wahrscheinlich schon sehr lange ein Paar. Ein Freund hat sie mir einst geschenkt.
Im Vordergrund, auf einer blauen Kachel, zwei Kerzenleuchter plus Kerzen, einige Teelichter sowie Zünder – also die Romantikgarnitur, wenn das Küchenlicht zu grell und ungünstig für den Teint ist. Ein Bastkorb mit vielen neuen Teelichtern als Nachschub. Daneben ein kleines Apothekerglas mit geschliffenem Stoppel, gefüllt mit Wasser und Opalsplittern. Letztere stammen aus Mexiko, von wo ich sie vor zirka vierzig Jahren mitgenommen habe. Aber es gibt noch mehr zu entdecken. Z.B hinten im Eck. Da befindet sich in einem Tonkrug die sogenannte Papierhandlung mit allerhand Schreibutensilien wie Bleistifte, Kugelschreiber, Radiergummi, Spitzer und Handykabel (sehr wichtig am Land)
Ein Hausbuch, da stehen alle Nachrichten für und von Besuchern drinnen, sowie sonstige literarische Ergüsse. Auch ein Gedichtband von Hermann Hesse hat sich irgendwann aufs Fensterbrett verirrt. Zuletzt ein dicker Stapel mit Broschüren, Landkarten und verschiedenen Prospekten.
Das also ist die Aussicht vor der Aussicht.
Der Blick aus dem Fenster zeigt vorwiegend Grünes: einige Bäume im Hintergrund, viele Wiesen – manchmal mit Kühen – heute nicht, ein Stück Straße, ganz vorne ein fast abgeblühter Apfelbaum und ein Vogelhaus. Dieses Vogelhaus ist das Spannendste an der ganzen Aussicht. Aber das ist eine andere Geschichte.
© Beate Szivatz